Geschichte & Informationen

Die alte Kirche

Die erste Erwähnung von Estebrügge erfolgte um 1196 in der Stiftungsurkunde des Alten Klosters. Dort heißt es: Sie – das sind die Edlen von Heimbruch, die Brüder Heinrich und Gerlach – geben dem Kloster alles Land bis zu den Holländern an der Este. Hier in Estebrügge war eine Furt in der Este. Um 1200 hatte der Ort schon einen Priester. Damals wird wohl auch schon die erste Kirche vorhanden gewesen sein. In den ältesten Urkunden ist vom „Kirchspiel Eschete" (der alte Name des Esteflusses) oder „Kirchspiel Este" die Rede. Nach dem Bau der Estebrücke änderte sich der Name in „Kirchspiel Estebrügge".

Mit Sicherheit lässt sich seit 1221 das Vorhandensein einer Kirche in Estebrügge nachweisen. 1221 genehmigt das Verdener Domkapitel die Unterordnung der Kirche zu Hollenstedt sowie der vier Kirchen im Alten Lande Sestervlete (Borstel), Eschede (Estebrügge), Majork (Jork) und Lu (Mittelnkirchen) unter das St. Andreasstift zu Verden. 1314 wird als erster uns bekannter Pfarrer in Eschete Diedrich Plump ge­nannt. 1398 wurde die Kirche in Estebrügge mit dem Alten Kloster in Buxtehude vereinigt.

Nach einer Sage soll die alte Kirche von zwei Edeldamen erbaut sein, irgendwelche Anhaltspunkte dafür sind aber nicht vorhanden. Die alte Kirche war, wie auch die jetzige, dem Heiligen Martin geweiht. Der Namenstag des Heiligen ist der 11. November. Nach der Legende wurde er in Ungarn geboren, war Soldat und erhielt mit 18 Jahren die Taufe. Er wird dargestellt als Ritter auf einem Schimmel, der einem Bettler seinen halben Mantel reicht. Der heilige Martin war in späteren Jahren Bischof von Tours und hat sich um die Christianisierung des westfränkischen Reiches bemüht. Er war kein Märtyrer und starb zwischen 397 und 401.

In einer Urkunde aus dem Jahre 1578 wird auf eine Verfügung des Erzbischofs Bezug genommen, „daß aufs allererste eine Uhr und Zeigerwerk aufgerichtet und gemachet würde."

Die Urkunde beweist, dass bereits 1582 ein Kirchturm mit Uhr- und Zeigerwerk vorhanden war. Dieser Turm wurde 1640/41 neu aufgebaut. Bei den Kirchenakten befindet sich eine genaue Kostenrechnung über den Bau, den der Zimmermeister Gert von der Born in Königreich ausführte.

Die Bedachung und der Anstrich des neuen Turmes scheinen nicht sehr dauerhaft gewe­sen zu sein, denn schon 1671 musste der Turm neu gedeckt werden.

1625 gab es drei große Fluten. Bei der schwersten am 26. Februar wurde selbst die Kirche überflutet.

Bei einem großen Sturm wurden 1648 „300 Pfannen von der Kirch geweyet".

Besonders groß war der Scha­den, den die Katharinenflut am 25. November 1685 anrichtete.

Wie sehr die Kirche bemüht war, Aufgaben der allgemeinen Wohlfahrt zu erfüllen, für die sich sonst keiner zuständig fühlte, beweisen die sehr ausführlichen Aufzeichnungen im Armenregister aus der Zeit von 1676 bis 1689. Es ist eine fast endlose Reihe von Bittstellern, die an die Tür des Pfarrhauses klopfen. Meistens ist die Not, um deren Linderung sie bitten, im Zeitgeschehen begründet.

 

Die neue Kirche

Wir wissen, dass die jetzige Kirche in den Jahren 1700 bis 1702 erbaut wurde, nachdem die alte - zumindest teilweise -zusammengefallen war. In einer Handschrift aus der Bücherei des Stader Geschichts- und Heimatvereins steht zu lesen: „Die Kirche zur Este ist neulich, 1700, von Grund auf neu gebauet, weil sie alt war und einfiel, wiewohl zu solcher Zeit, da niemand drein war". Offenbar hat man beim Neubau die alten Grundmauern verwendet: Bei der letzten Renovierung von Dezember 1987 bis April 1992 wurde festgestellt, dass das Kirchenschiff auf drei Reihen übereinander geschichteter Felsen als Grundmauer steht. Man hat große Teile alten Mauerwerks gefunden und auf ca. 1450 datiert. So groß wie das jetzige Schiff war also auch das vorherige.

Über die Geschichte des Kirchenneubaus von 1700 gibt es einige Geschichten, die der geschichtlichen Nachprüfung nicht standhalten. Einmal heißt es, die Hamburger hätten sich erboten, der Gemeinde Estebrügge das schöne Geläute abzukaufen und als Preis dafür die große Glocke mit guter Hamburger Münze bis zum Rande zu füllen. Ebenso wurde erzählt, der damalige Kantor Niemann habe das Gestühl der alten Kirche für 10 000 Taler verkauft, und mit diesem Gelde sei die Kirche erbaut worden. Wahr ist, dass Niemann schon 50 Jahre früher hier lebte und wirkte, denn zur Zeit des Kirchenneubaus war Hieronymus Deterding Organist. Er schlug vor, die in der neuen Kirche zu schaffenden Sitze schon vor dem Neubau zu verkaufen und außerdem je Morgen einen Reichstaler zu heben, ferner jeden Knecht und jede Magd einen Taler zahlen zu lassen. Das ergab einen Betrag von 6115 Reichstalern 26 Schilling und 6 Pfennig. Dafür konnte die Kirche gebaut werden. Das Be­merkenswerte ist, dass die Gemeinde Estebrügge sich ihre Kirche ohne jede Hilfe Außenstehender erbaute.

So schreibt der Rektor des Gymnasiums zu Stade, Georg de Roth, in seiner „Geographischen Beschreibung der Herzogtümer Bremen und Verden" von 1718 über Estebrügge: „Von der Kirche ist zu merken, daß dieselbige, nachdem das alte Gebäude eingefallen gewesen, Anno 1700 aus des Kirchspiels Mitteln ohne eine Collecte zu sammeln von Grund auf gebauet und von lauter Steinen gantz zierlich ist aufgeführet worden."

Der Grundstein zu der neuen Kirche wurde am 30. Juni 1700 gelegt. Da die Kirche in ihren Ausmaßen der vorigen entsprach, konnten der Altar, die Kanzel, die Taufe, das Gestühl und der große Messing-Kronleuchter auch im neuen Gotteshaus ihren Platz finden. Fertiggestellt war der Neubau bereits 1702.

 

Orgel und Empore

Die Orgel wurde ursprünglich 1702 durch Arp Schnitger erbaut: 34 Stimmen, 2 Manuale und Pedal. Schnitger sagte von ihr: „Das ist eine herrliche Orgel, wie man sie in vielen Städten nicht findet“.

1906 erfolgte ein Neubau von den Gebrüdern Rohlfing, Osnabrück, 1959 ein abermaliger Neubau durch Kemper, Lübeck. Die Disposition ist an die Schnitger’sche angeglichen, so wie sie überliefert war. Die Orgel ist in einem schlechten Zustand, lässt sich nicht sinnvoll renovieren und wird nicht bespielt. Einzig der Prospekt ist noch von der ursprünglichen Schnitger-Orgel.

Die Empore auf der Westseite wurde 1700 erbaut. An der oberen Empore sind 13 Bilder, an der unteren 16 Bilder aus dem Leben Jesu, gemalt 1708 von dem Hamburger Maler Schnibbe. Namen und Datum stehen im Mittelbild am Orgelrund mit dem Spruchband: Gloria in Excelsis.

Zur Empore führt eine Spindeltreppe mit Flachschnitzerei. Die Anfangspfosten beider Geschosse sind mit geschnitzten Tierköpfen verziert.

 

Die Decke

Die jetzige Ausmalung der Brettertonnendecke mit dem Sternenhimmel (914 Sterne) entspricht der von 1868; sie wurde 1990-92 restauriert, nachdem die Sterne und Engel 1968 mit blauer Farbe übermalt worden waren. Die ursprüngliche Decke war mit Gemälden aus der biblischen Geschichte bemalt: rechts vom Altar das Jüngste Gericht; weiter Engel mit Flügeln, Teufel in schwarzer Gestalt. Am Ankerbalken des Chores waren früher gemalte Inschriften zu sehen, die jetzt übermalt sind: „Anno 1700 den 30. Juni ist der Grundstein dieser Kirche gelegt Matthias Röver und Hieronymus Fabricius Pastores, Hinrich Quast, Jacob Quast, Johan Stehr, Jacob Bruss Juraten. Repariert und neu gemalt 1868."

 

Der Altar

Der Altar wurde 1657 gebaut. Die Stifter, Clawes Rypen und Peter Brus, sind mit ihren Hausmarken verewigt. Über dem Altartisch ist das heilige Abendmahl abgebildet. Darüber im Hauptgeschoss stellt ein Ölbild die Geißelung Christi dar. Im Aufsatzgeschoss zeigt ein Ölbild Christus am Kreuz, rundherum Akanthus-Verzierungen. Auf dem Altar verteilt sind allegorische Frauengestalten: ganz oben der Glaube, links die Liebe und rechts die Hoffnung; im Aufsatzgeschoss links die Gerechtigkeit und rechts die Klugheit. An den Ohren auf je einem Ausläufer sind links die Stärke und rechts die Mäßigung zu sehen.

 

Die Taufe

Aus der alten Kirche stammt das Taufbecken von 1345, das wohl älteste Element in unserer Kirche. Es ist aus Glockengut gegossen und trägt an der Außenseite die lateinische Inschrift „Qui bapticatur hoc sacro fonte lavatur“ („Wer getauft wird in diesem heiligen Quell, der wird gereinigt“).
Daneben steht der Name des Gießers: Magister Eglert me fecit ("Meister Eglert hat mich gemacht"). Der Kessel wird von vier auf einem Ring stehenden männlichen Figuren getragen, die vermutlich die Evangelisten darstellen.
Der Taufdeckel wurde 1656 von Hille Pelke Fresen, Witwe von Godhard von Brobergen auf Gut Hove gestiftet. Der untere Kranz trägt fünf Putti mit Musikinstrumenten. Ein Putto ist gestohlen worden. An den Dachschrägen des unteren Tabernakels sind die vier Evangelisten zu sehen. Über der Taufgruppe mit Christus und Johannes dem Täufer schwebt eine Taube. Den Abschluss bildet der segnende Christus mit Heiligenschein. Leider wurde auch die Figur Johannes des Täufers gestohlen.

 

Die Kanzel

In den vier Pilasterarkadennischen der Kanzel sind die Evangelisten mit ihren Symbolen zu sehen: Matthäus mit Engel, Markus mit Löwe, Lukas mit Stier, Johannes mit Adler. Unten stehen die Stifternamen mit ihren Hausmarken: Johann Quast auf der Hove, Dirick Holste thom Crans und Tewes Quast auf der Hove, darüber der Schalldeckel mit der Taube. Der Zugang zur Kanzel führt von der Sakristei über eine Treppe und Laufbrücke. Altar und Kanzel stammen von Meister Johan Tamke, Buxtehude, Anno 1656/57.

 

Das Gestühl

Das Gestühl zu beiden Seiten des Mittelganges ist nummeriert, auf der Nordseite von 7-29, auf der Südseite von 37-62. Die Wangen 1-6 und 30-36 stehen auf der Empore, nachdem man 1968 die Bänke aus dem Chorraum entfernt hat.
Die Wangen haben zum Gang hin kräftig geschnitzte Aufsätze mit je einem Engelskopf in Akanthus. Die Engelsnasen sind durchweg abgeschlagen. Der Sage nach soll ein schwedischer Offizier seinen Säbel gebraucht haben, doch diese Geschichte erscheint heute eher zweifelhaft. Die Engelsköpfe wurden 1970 so wiederhergestellt, wie man sie um 1700 bemalt hatte. Die Wangen sind um 1600-1650 entstanden.

Die freigelegte Bankwange Nr. 22 mit der Bemalung von 1700 hinten in der Kirche nennt die Namen der Kirchenstuhlbesitzerinnen. Als man 1868 die Kirche neu ausmalte, wurden die Namen der Kirchenstuhlinhaber ans Wandpaneel gemalt, und zwar nur die Männernamen. Bei den Frauenbänken – Frauen und Männer saßen damals getrennt – schrieb man einfach „Frauenstellen“.

 

Die Priechen

An den Polygonwänden im Osten rechts und links vom Altar befinden sich zwei Beichtstühle aus der alten Kirche. Davon wird der Stuhl nach Süden als Sakristei genutzt. Beide Stühle weisen viele Schnitzereien auf und haben durchbrochene Schiebefenster.

An der Nordwand oben sind Priechen angebracht; über dem Nebeneingang die zur Esteburg gehörende mit den Wappen der Schultes und mit alten Bleiglas-Schiebefenstern, anschließend die Prieche zu Gut Hove mit Hochrenaissance-
Schnitzerei; links an der Schmalseite die Besitzernamen Godhard von Broberg, Hille Peicke Fresen (die Stifterin des Taufdeckels) Anno 1638. An der Langseite Peter Giese Anno 1868. Unter dem Monogramm P G befinden sich auf den Arkadenfüllungen Adelswappen der Vorfahren der Brobergen.

Die nächste Prieche im Barockstil gehörte dem Grafen Petrus Tho Aspem, ehemals auf dem Nagel’schen Hof in der Hinterstraße. Auf der Empore steht der Stuhl für die Herren von Behr auf dem Münchhof zu Estebrügge.

 

Was außerdem noch sehenswert ist

• das Kruzifix an der Südwand von 1460, leider auch mit dem entstellenden braunen Anstrich von 1868
• sechs Epitaphien von früheren Pastoren, die in Estebrügge ihren Dienst taten
• der Armenblock von 1650 in der Nähe der Eingangstür
• der alte Kronleuchter von 1681 (die beiden hinteren sind von 1952)
• die Bankkissen, 67 an der Zahl, Anfang der 90er Jahre gestickt und gestiftet von Gemeindemitgliedern

 

Das Äußere

Kirche und Turm stehen auf einer Wurt inmitten des alten, nun geschlossenen Friedhofs. Die gesamte Wurt war von einem breiten Wassergraben umgeben. Dieser ist Stück für Stück zugeschüttet worden. Bei der Dorferneuerung hat man die jetzt umlaufende Straße mit roten Klinkern gepflastert; diese soll den ehemaligen Graben andeuten. Außerdem waren Kirche und Kirchhof von Lindenbäumen eingefasst. Nach dem Krieg hat man die ersten Bäume gefällt und als Feuerholz verbrannt. Die restlichen fielen der Wegverbreiterung zum Opfer. Seit 1990 wurden wieder neue Bäume angepflanzt.

 

Die Portale

Über dem kleinen Portal steht eine Skulptur des heiligen Martin von Tours – leider ohne Arme. Da niemand weiß, wie die Arme aussahen, hat man sie auch nicht ergänzt. Am Portal ist die Inschrift: „Deo et posteritati Anno 1700“ zu lesen. („Für Gott und die Nachwelt, im Jahre 1700“).

Über dem großen Portal sieht man links einen Engel mit Buch, auf dem die Inschrift "Amor Domini“ zu lesen ist und im Bogen die Inschrift: „Zur Ehre des Dreieinigen Gottes und zur Erbauung dieser christlichen Gemeine ist diese Kirche von Grund auf neu gebauet im Jahre 1700. Psalm 105 / V 3: Gehet zu seinen Thoren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben. Danket Ihm, lobet seinen Namen. Psalm 32: Wir wollen in seine Wohnung gehen und anbeten seinen Fus Schemel“.

Die Türen sind aus massiver Eiche mit Schnitzereien, die Füllungen waren früher mit Ölbildern versehen. Zu den Priechen an der Nordseite führte früher eine massive Freitreppe. Die aufgemauerten Strebepfeiler sind bei der Restaurierung mit Steinen im Klosterformat erneuert worden. Die Mauer ist am Sockel 1 m dick und oben an der Traufe 0.90 m und endet unter hölzernen, auf Holzkonsolen ruhendem Traufgesims. Das Pfannendach ziert im Osten eine Wetterfahne von 1807 und im Westen eine Sandsteinvase.

 

Der Glockenturm

Der hölzerne Glockenturm ist 39,5 m hoch und ganz aus Eichenholz, das von 1502-1509 geschlagen wurde. Nach noch vorhandenen Rechnungen wurde der Turm 1640 von Zimmermeister Gerd von der Born aus Königreich erbaut. Der Turm steht in der Mitte der Westwand der Kirche. Bis 1873 war der Helm mit Holzschindeln gedeckt, unten holzverschalt und rot gestrichen. 1873 wurde der gesamte Turm mit Schiefer eingedeckt. Bei der letzten Restaurierung 1987-1992 wurde er wieder mit gespaltenen Eichenholzschindeln gedeckt und unten mit Eichenholzbohlen verschalt.

Der Turm ist um 36 Grad gedreht. Die Drehung stammt vom Absacken der Ständer in der Mitte der Westwand des Turmes. Der Querbalken oben auf dem Turmkörper ist in der Mitte angebrochen, gibt also durch den Druck des Helmes die Senkung weiter; dadurch haben sich die Balken des Helmes gedreht.

Die Uhr wurde 1910 gebaut. Die Schlagglocken, die außen an dem Turm angebracht sind, wurden 1990 neu aus Bronze gegossen. Die Stundenglocke hat den Spruch: Meine Zeit steht in Deinen Händen. Auf der Viertelstundenglocke ist zu lesen: Zeit ist Gnade. Die alte Stundenglocke von 1577 musste im letzten Krieg abgegeben werden und kam nicht zurück. Es gibt drei Läuteglocken im Turm: die größte aus Gusseisen ist von 1950, die mittlere aus Bronze mit einem Durchmesser von 1,44 m von 1662, ebenso die kleine aus Bronze mit einem Durchmesser von 1,31 m.

Im Jahre 1774 setzte ein Blitz den Turm in Brand. Nach Angabe des Kirchenbuches bestiegen ihn zwei beherzte Estebrügger und gossen das Feuer mit Milch aus.

Im Alten Land sind alle Kirchenschiffe getrennt vom Turm gebaut, damit beim Absacken des einen das andere nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.